Disziplin - ein Geschenk?

Die Disziplin - welch’ schrecklich’ Wort!
Sie knechtet mich und reißt mich fort
von dem, was ich in Wahrheit will:
Ich mag die Trägheit und das Chill’n.

Ich liebe auch den Müßiggang,
er folgt mir schon mein Leben lang.
Auch ich folg’ ihm, seitdem ich denk’-
der Müßiggang ist ein Geschenk.

Wo liegt Anmut in Disziplin?
Ich find’ auch kein Geschenk darin;
macht mir nur Druck und Ungemach,
verstärkt sogar mein Weh und Ach.
 

Die Disziplin strengt mich nur an:
Soll aufsteh’n, obwohl ich nicht kann,
geh’ nur zur Arbeit, weil ich muß -
die Disziplin bringt mir Verdruß.

Doch plötzlich - unvergleichlich schön -
die Sinne wollen mir vergeh’n -
hör ich es singen, musiziern
und trällern, trillern, tiriliern.


Sie tschilpen, turteln, wispern, schrei’n -
es ist der Vogelsangverein.
Sie girren, gurren, quiriliern, 
sie jauchzen, jodeln, jubiliern.

Ist alles dies nur Kling und Klang,
ein Durcheinander, Chaos, Zwang?
Steckt hinter alldem nicht viel mehr
als bloßer SingSang, bitte sehr?

 

Jetzt kommt die Disziplin ins Spiel.
Und ich entscheide mich ganz still:
Will ich sie gut seh’n oder schlecht?
Mein Denken biegt sich dies zurecht.
 

Nun - nichts an sich ist schlecht, ist gut -
das Denken macht es erst dazu.
Ist’s Glas halbleer, ist’s Glas halbvoll?
Mein Denken bestimmt, wie’s sein soll.
 

Was alles zählt zur Disziplin?:
mein Wunsch, der Trägheit zu entflieh’n.
Erkennen, daß ich hab die Wahl, 
stets abzuweisen läst’ge Qual;

Nein zu Gewohntem, Ja zum Mut,
jetzt anzureihen gut an gut,
ein konsequentes Ja zum Jetzt -
Vergang’nes wird nicht mehr besetzt;


entschlossene Beharrlichkeit,
beharrliche Entschlossenheit
heißt Ja zum Guten, Ja zum Glück -
zur Trägheit will ich nicht zurück.

Weil ich nur noch das Gute will,
bleib ich in Sanftmut, werde still;
möcht’ in Gedanken wachsam sein -
ich laß nur gutes Denken ein.
 

Was zählt zum Guten, was zum Glück?:
Wohlwollen, Liebe, warmer Blick,
Anmut, Vergebung, Zärtlichkeit
stehen für dich schon lang bereit.
 

Befiehl der Rose: „Blüh’ jetzt auf!“,
verschließt sie sich und gibt nichts drauf.
Wenn ich sie weiterhin bedräng,
verweigert sie sich, wird ganz eng.


Nehm ich sie zärtlich an die Hand,
öffnet sie sich, mir zugewandt.
Ich schau sie an, will nichts von ihr.
Sie flüstert leis: „Ich danke dir.
Will für dich blühen, zart und rein,
will mich verschenken, bei dir sein.“
 

Bleib ich in Liebe und Geduld,
schenkt sie mir freundlich ihre Huld,
folgt ihrem eigenen Gesetz,
das korreliert mit ew’gem Jetzt.
 

Die Disziplin ist ein Geschenk.
Dessen bin ich nun eingedenk.
Sie gibt mir Frieden, Kraft, Struktur,
wenn ich bleib auf des Guten Spur.